Strip naked, talk naked (2014)

WORKS

Im April 2013 wurde die däni­sche Talk­show ‘Blach­man’ erst­ma­lig ausge­strahlt und löste eine höchst kontro­verse Debatte aus: In einem dunk­len Studio sitzen zwei beklei­dete Männer auf einem Sofa. Eine Frau tritt vor, streift ihren Bade­man­tel ab und steht nackt im Licht vor ihnen. Die Männer betrach­ten ihren Körper und spre­chen über weib­li­che Schön­heit, Männ­lich­keit und verwandte Themen. Die Frau schweigt. Eine Show als Thera­pie­an­ge­bot: Der Urhe­ber und Gast­ge­ber der Show, Thomas Blach­man, meint eine gewal­tige Unsi­cher­heit vieler Männer zu erken­nen, mit Frauen und ihren Körpern umzu­ge­hen. Die Männer unse­rer Zeit seien verlo­ren zwischen Massen von Porno­gra­phie auf der einen und ihren Gefüh­len auf der ande­ren Seite und soll­ten nach einer neuen Bezie­hung zum ande­ren Geschlecht suchen.



Konzep­tion, Reali­sie­rung und Perfor­mance:
Iva Svesht­arova, Rose Beermann
Perfor­mance: Daniel Hinojo, Sebas­tian K. König
Drama­tur­gie: Marcel Bugiel
Sound­de­sign: Bern­hard La Dous
Licht­de­sign: Hannes Ruschbaschan
Bera­tung Kostüm: Lena Mody

Produ­ziert und urauf­ge­führt in den Sophi­ensae­len Berlin im Rahmen des Frei­schwim­mer-Festi­vals 2014/15, reali­siert aus den Mitteln des Haupt­stadt­kul­tur­fonds. Weitere Auffüh­run­gen im Brut Wien, der Gess­ne­ral­lee Zürich, dem Forum Freies Thea­ter Düssel­dorf und dem Künst­ler­haus Mousonturm.



Pressestimmen:

Die Perfor­me­rin­nen Iva Svesh­t­a­vora und Rose Beer­mann stel­len die geschlech­ter­dis­kur­sive Schau­lust-Show ‘Blach­man’ mit Daniel Hinojo und Sebas­tian K. König auf Betrach­ter­seite unter dem Titel ‘Strip Naked, Talk Naked’ nach. Schon klar, worauf das zielt: Eigent­lich entblö­ßen sich hier die Reden­den. Stimmt, von philo­so­phi­scher Bril­lanz sind die Einlas­sun­gen über Muttis kleine Zehen, die eroti­sche Melan­cho­lie des Ohrs oder das Myste­rium weib­li­cher Geschlechts­teile nicht gerade. Und man möchte sich auch das deut­sche Pendant zu einer solchen Sendung nicht vorstel­len, die vermut­lich von Peter Sloter­dijk, Matthias Matu­s­sek oder Maxim Biller mode­riert würde. […] Bei aller auch unfrei­wil­li­gen Komik trifft das ‘Blachman’-Konzept tatsäch­lich einen Nerv, offen­bar auch bei den Performerinnen.

Patrick Wilder­mann, Der Tages­spie­gel, 21.10.2014

Vor einein­halb Jahren sorgte der Musi­ker Blach­man mit einem simp­len Setting für inter­na­tio­na­len Medi­en­pro­test: Zwei beklei­dete Männer räso­nier­ten in ‘inti­mer’ Studio­at­mo­sphäre ohne Saal­pu­bli­kum mit ‘ästhe­ti­schem Anspruch’ über eine entblößt und stumm vor ihnen stehende Frau: pure Miso­gy­nie in beson­ders hinter­fot­zi­ger Form. Die Show lief zwar im Mai des Vorjah­res nach sechs Folgen aus, aber der Scha­den für das Fern­se­hen, Däne­mark und das Geschlech­ter­ver­hält­nis war beträcht­lich. Aus diesem Stoff haben die in Deutsch­land arbei­ten­den Choreo­gra­fin­nen Rose Beer­mann und Iva Svesht­arova ihr Stück ‘Strip naked, talk naked’ gestrickt, in dem sie ein Reenact­ment der Blach­man-Show und ein perfor­ma­ti­ves Nach­spiel zeigen. Der erste Teil ist das Doku­ment — uner­läss­lich in einer über­ver­gess­li­chen Zeit wie der unse­ren -, und das Nach­spiel ist als Kommen­tar der beiden Künst­le­rin­nen zu verste­hen. Letz­te­res ist über­ra­schend läppisch gera­ten. […] Aber die Künst­le­rin­nen spie­len hier offen­bar mit der Frage, ob das bloße Nach­stel­len als Doku­per­for­mance im Rahmen eines zeit­ge­nös­si­schen Thea­ter­fes­ti­vals noch selbst­er­klä­rend genug ist — oder ob es wieder expli­zit geäu­ßerte Kritik braucht.

Helmut Ploebst, Der Stan­dard, 07.11.2014

Beer­man und Svesht­arova entäu­ßer­ten sich in ihrer Perfor­mance abwech­selnd in der Rolle der schwei­gen­den Frau, während zwei männ­li­che Darstel­ler den realen Gesprächs­ver­lauf aus der Talk­show nach­stell­ten. Immer wieder wech­sel­ten die Männer ihre Posi­tion im Raum, stell­ten die Stühle um und began­nen dann unver­mit­telt, ihre poeti­schen Sätze auszu­tau­schen, deren Dilet­tan­tis­mus in der Perfor­mance beson­ders anschau­lich wurde. Diese szeni­schen Unter­bre­chun­gen hoben wiederum das fiktive Moment hervor: Wie im Film – und auch im Fern­se­hen – erlang­ten die Zuse­herın­nen einen ‘beschnit­te­nen’ und damit insze­nier­ten Blick. Die Umwand­lung von Reali­tät in Fiktion, die Über­füh­rung von Diskri­mi­nie­rung in Insze­nie­rung, erzeugte ein Befrei­ungs­mo­ment, in dem die Frau Subjekt sein konnte. Perfor­ma­ti­vi­tät und Perfor­mance fanden dialek­tisch zuein­an­der: Im ersten Schritt des Reenact­ments wurde die Konstruk­tion der weib­li­chen Geschlech­ter­iden­ti­tät perfor­ma­tiv erzeugt und in der freien Perfor­mance wiederum dekonstruiert.

Lina Paulitsch, www.corpus.net

Fotos: Gerhard F. Ludwig